Die ETH Z�rich liefert das intellektuelle Basismaterial f�r die Occupy-Wall-Street-Bewegung. Sie zeigt, wie eine Gruppe von nur 147 Finanzkonzernen praktisch die gesamte Weltwirtschaft kontrolliert. UBS und Credit Suisse mischen ganz vorne mit.
Die Occupy-Wall-Street-Bewegung belagert seit Wochen die Wall Street in New York. An anderen Finanzpl�tzen wie London oder Z�rich sind ebenfalls Bewegungen entstanden. Glaubt man einer Studie der ETH Z�rich, sind das die richtigen Standorte, um gegen die Ausw�chse der globalen Finanzindustrie zu protestieren: Die Studie von ETH-Systemspezialisten zeigt erstmals, wie wenige Finanzkonzerne als in sich geschlossenes Netzwerk einen Grossteil der Weltwirtschaft kontrollieren. UBS und CS sind die Nummern 9 und 14 im Machtnetz.
Die Datenbankanalyse der ETH ergibt Erstaunliches: Ein Netzwerk von nur 147 Konzernen �bt eine rund 40-prozentige Kontrolle �ber alle 43060 international t�tigen Unternehmen aus, die 2007 in der Wirtschaftsdatenbank Orbis erfasst waren. Diese Kerngruppe der globalen Wirtschaft kontrolliert sich zudem �ber ein gegenseitiges Beteiligungsnetzwerk praktisch vollst�ndig selber. Das renommierte Wissenschaftsmagazin �New Scientist�, das diese Woche erstmals �ber die Studie schrieb, titelte mit den markigen Worten: �Enth�llt � das kapitalistische Netzwerk, das die Welt regiert�.
�Die Konzentration der wirtschaftlichen Kontrolle, die wir gefunden haben, ist enorm�, sagt Stefano Battiston . Der ETH-Wissenschafter geh�rt zu den f�hrenden Forschern auf dem Gebiet der hochkomplexen Systeme und hat seine Analysen von Wirtschaftsnetzwerken unter anderem gemeinsam mit dem Nobelpreistr�ger Joseph Stiglitz publiziert.
�W�hrend etwa im �hnlich netzwerkartig aufgebauten Internet oder bei Wikipedia rund 40 Prozent der Webseiten zum mehrfach verbundenen Kern geh�ren, sind es bei den multinationalen Unternehmen nur 0,3 Prozent.� Man muss sich das als riesigen Wollkn�uel vorstellen: Die 43060 multinationalen Unternehmen haben insgesamt 400000 Beteiligungen und identifizierbare Beteiligte. Von diesen sind 1318 mehrfach vernetzt und haben im Durchschnitt 20 Verbindungen untereinander und repr�sentieren selber einen Umsatzanteil von 20 Prozent. �ber direkte und indirekte Beteiligungen kontrollieren sie aber zus�tzlich noch einmal �ber 60 Prozent.
Innerhalb des vernetzten Kerns haben die ETH-Forscher zudem eine 147 Konzerne umfassende geschlossene Gesellschaft identifiziert, die nach Ums�tzen gerechnet allein 40 Prozent der multinationalen Ums�tze kontrolliert. Angef�hrt wird Macht-Rangliste von der britischen Barclays Bank. Die UBS ist die Nummer 9, die Deutsche Bank die 12 und Credit Suisse die 14. Bis zur China Petrochemical Group auf Rang 50 figurieren nur Finanzunternehmen. Darunter auch eine Reihe von kaum bekannten Fonds- und Investmentgesellschaften wie etwa der amerikanischen Capital Group Companies auf Rang zwei, die Beteiligungen � unter anderem auch an Geberit � in der H�he von rund 1 Billion Dollar verwaltet.
Seit 2007, dem Jahr, auf dem die Analyse beruht, d�rfte es im Zug der Finanzkrise zu einigen Platzwechseln gekommen sein. Die Kontrollkonzentration des Machtzirkels ist seither jedoch kaum kleiner geworden. Im Gegenteil: Die Vernetzung der Finanzriesen untereinander d�rfte sogar eher noch gewachsen sein. Denn schliesslich hat der Konkurs der nur auf Rang 34 platzierten Lehman Brothers Holding der Finanzindustrie eindr�cklich klargemacht, wie stark die faktische Staatsgarantie mit der Systemrelevanz korreliert. So hat Barclays beispielsweise 2009 ihre Verm�gensverwaltung an Blackrock abgetreten, die nun �ber 3 Billionen Dollar kontrolliert. Da der Deal zur H�lfte in Aktien get�tigt wurde, sind die beiden Unternehmen jetzt gegenseitig im zweistelligen Prozentbereich aneinander beteiligt.
Die Resultate der ETH-Forscher sind Wasser auf die M�hlen der Occupy-Wall-Street-Bewegung. Zeigen sie doch, dass sich nicht nur der private Wohlstand auf eine kleine Minderheit konzentriert. Die wirtschaftliche Macht liegt in den H�nden eines noch viel exklusiveren Zirkels. Nur 1,7 Prozent der multinationalen Unternehmen kontrollieren 80 Prozent der Ums�tze. Im Vergleich dazu wirkt die weltweite Verteilung der Verm�gen geradezu egalit�r, m�ssen sich doch zwischen 5 und 10 Prozent Reiche 80 Prozent des Besitzes teilen.
F�r eine derartige Machtballung ist allerdings keine bewusste Verschw�rung notwendig, wie sie viele Occupy-Aktivisten vermuten, betont Battiston. Ihr Entstehen l�sst sich durch Marktmechanismen erkl�ren. So geh�ren gegenseitige Beteiligungen zu den g�ngigen Anti-�bernahme-Strategien. Sie helfen zudem � zumindest in einer ersten N�herung � die Risiken zu verteilen, und sie senken die Zusammenarbeitskosten.
�Unsere mathematische Analyse ist grunds�tzlich weder positiv noch negativ�, so Battiston weiter. �Sie ist vielmehr eine Grundlage, um die weltweite wirtschaftliche Vernetzung besser verstehen und damit auch die Folgen von politischen und unternehmerischen Entscheiden besser absch�tzen zu k�nnen.�
Erstaunlicherweise ist die ETH-Studie die erste, welche die �konomischen Machtverh�ltnisse auf globalem Niveau abbildet. Bisherige Analysen beschr�nkten sich auf einzelne L�nder oder M�rkte.
Auch wenn verschiedene Details der Studie, wie etwa die Gleichsetzung einer Beteiligung mit einer entsprechenden Kontrolle, umstritten sind � der generelle Befund ist so klar, dass er nicht ignoriert werden kann. Die gewaltige Machtkonzentration in den H�nden weniger Konzerne und die nicht minder grosse gegenseitige Abh�ngigkeit dieser Konzerne untereinander werfen eine Reihe von Fragen auf.
Aus liberaler Sicht stellt etwa die enge Verkn�pfung der Marktteilnehmer den Wettbewerb infrage. Die Regulatoren stehen vor der Herausforderung, Wege zu finden, wie Risiken in einem solchen Abh�ngigkeitsnetzwerk �berhaupt isoliert werden k�nnen. So d�rfte beispielsweise eine Abspaltung der Investment-Aktivit�ten der UBS unter diesen Umst�nden zwar die unmittelbaren Auswirkungen auf die Schweiz begrenzen, das weltweite Finanzsystem w�rde von deren Bankrott aber kaum weniger stark ersch�ttert. Die UBS ist nicht nur �too big to fail� f�r die Schweiz, sondern �too connected to fail� f�r die Welt.
Die Politik hinwiederum muss sich Strukturen schaffen, um dieser Machtkonzentration zumindest gleichwertig entgegentreten zu k�nnen. Denn auch wenn 147 Konzerne so wenig wie die 193 UNO-Staaten in der Lage sind, ihre Eigeninteressen zur�ckzustellen, um eine Schatten-Weltregierung zu bilden, so k�nnen sie doch besser als die Staatengemeinschaft ihre Kr�fte b�ndeln, um gemeinsame Interessen zu sch�tzen. Wie effektiv sie dabei sind, zeigt das erfolgreiche Lobbying gegen effektive Regulierung der Finanzm�rkte.
Aber nicht nur Gesellschaft und Politik sind gefordert. Auch die Konzerne selber m�ssen ihr Netzwerk angesichts der kaum mehr beherrschbaren Turbulenzen der letzten Jahre �berdenken. Die gegenseitige Beteiligungsvernetzung, die kurzfristig die Risiken f�r das einzelne Unternehmen reduziert, w�chst immer mehr zu einem unkontrolliert schwingenden Klumpenrisiko, welches das ganze System in den Abgrund zu ziehen droht.
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